„Behörden-Wahnsinn“ Teil 1: Bauvoranfrage oder der Kampf Mensch vs. Mast
Manche Tage im Leben eines Architekten fühlen sich an wie die legendäre Szene aus dem Zeichentrickfilm Asterix erobert Rom: Asterix und Obelix wollen den Passierschein A38 ausgestellt bekommen – und verlieren bei all dem Behörden-Wahnsinn fast den Verstand. In unserem Fall sind wir nicht in Rom, sondern bei Bremen. Und statt eines Passierscheins brauchen wir Informationen zu einem Strommast. Viel Spaß mit dem ersten Teil unserer neuen Reihe „Behörden-Wahnsinn – Amtlich verrückt! Abenteuerliche Behörden-Geschichten aus dem Architekten-Alltag“.
Alles begann ganz harmlos
Wir wollten für die Bebauung eines Grundstücks in einer niedersächsischen Gemeinde eine Bauvoranfrage stellen. Um die Sicherheitsabstände der Stromleitungen ermitteln zu können, baten wir um Informationen zu einem Strommast. Die üblichen technischen Fragen. Eine E-Mail, ein Anruf, fertig. Dachten wir – doch da hatten wir die Rechnung ohne den deutsche Behörden-Wahnsinn gemacht.
Von Pontius zu Pilatus
Die Antwort auf die erste Anfrage? Schweigen. Dann der erste Hinweis: „Bitte registrieren Sie sich im Portal der Leitungsauskunft.“ Gesagt, getan. Allerdings nur, um nach mehreren telefonischen Rückfragen zu erfahren, dass man gar nicht zuständig sei. Man verwies uns an die Planauskunft. Die Planauskunft war sich sicher: „Das ist Sache der Gemeinde.“ Nun gut, dachten wir, lassen wir die Kirche vorerst im Dorf, die Gemeinde wird’s schon richten. Doch dort hieß es: „Wir sind nur für Wasser zuständig. Wenden Sie sich an die Ortsplanung.“ Die meinte wiederum zu wissen: Zuständig ist in solchen Fällen der regionale Netzbetreiber. Wir schöpften neue Hoffnung.
Zuständig oder nicht, das ist hier die Frage
Aber dann die nächste Überraschung. Man sei „wahrscheinlich nicht zuständig“, aber so wirklich wisse man das auch nicht. Hatten wir es hier etwa mit Sokratikern zu tun, die ihrem philosophischen Idol getreu seinem Motto „Ich weiß, dass ich nichts weiß“ allzu sehr nacheiferten? Wie dem auch sei, man überließ es uns herauszufinden, ob man denn nun zuständig sei oder nicht. Falls nicht, sollten wir doch im Zweifelsfall „einfach mal auf dem Mast nachgucken, wer da als Verantwortlicher draufsteht.“ Einatmen. Ausatmen. Nächster Versuch.
Das Ziel in greifbarer Nähe
Zehn Tage und einige unbeantwortete Anrufe und E-Mails später, landeten wir bei einem anderen Netzbetreiber. Dort war man telefonisch schwer zu erreichen, doch eines Morgens dann endlich die heißersehnte Auskunft: „Für die Strommasten und Oberleitungen ist die Bezirksmeisterei im Norden zuständig.“ Ein Anruf dort und wir wurden an den inzwischen dritten Netzbetreiber verwiesen. Man gab uns sogar die E-Mail der Bauleitplanung – waren wir etwa endlich auf der Zielgeraden?
Keine Anfrage, keine Antwort
„Wir möchten Sie bitten, Ihre Anfrage über das BIL-Portal an uns zu richten. […] Bitte beachten Sie, dass es aufgrund der hohen Anzahl von Anfragen aktuell zu einer längeren Bearbeitungsdauer von ca. 8 Wochen kommen kann.“ Bereitwillig machten wir uns an die Arbeit bis sich erneut Ernüchterung breit machte – die Fragen des Portals passten nicht im Entferntesten zu dem geplanten Vorhaben, eine Anfrage war somit hinfällig. Parallel zu unseren Bemühungen hatte der Eigentümer des Grundstück ebenfalls versucht, etwas über den Mast und den notwendigen Mindestabstand in Erfahrung zu bringen. Leider ohne Erfolg. Seine Anfrage blieb auch nach mehreren Monaten noch unbeantwortet.
Behörden-Wahnsinn to be continued …
Wir haben zwar immer noch nicht die Informationen, die wir brauchen. Aber wir haben unterwegs erstaunlich viele neue Bekanntschaften gemacht: mit Hotlines, Portalen, Weiterleitungen und Warteschleifen. Und so steht es im Kampf „Mensch vs. Mast“ derzeit 0:1 für den Behörden-Wahnsinn. Aber wir geben nicht auf. Denn irgendwo da draußen, tief verborgen im Verwaltungs-Dschungel, wartet bestimmt jemand, der uns weiterhelfen kann. Und vielleicht sollten wir beim nächsten Mal einfach Asterix fragen. Der weiß ja inzwischen, wie’s schneller geht.
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserer Teamassistentin Mareile Rettberg, die sich für uns tagtäglich furchtlos und unermüdlich durch das undurchdringliche Dickicht des Behörden-Wahnsinns kämpft. Hut ab, Mareile!